ISABELLE

Video Installation, Länge 35 min , HD-Video, 2011
„Isabelle“

Vor dem Hintergrund des Subjekt-Objekt-Trennung werden wir, indem wir über uns selbst nachdenken, zum Anderen, ebenso verhält es sich mit dem Blick in den Spiegel, der zwischen Selbstvergewisserung und Ich-Abspaltung eine Art Schizophrenie hervorbringt: „Das, was wir denken, von dem wir sprechen, ist stets ein anderes als wir, ist das, worauf wir, die Subjekte, als auf ein gegenüberstehendes, die Objekte, gerichtet sind. Wenn wir uns selbst zum Gegenstand unseres Denkens machen, werden wir selbst gleichsam zum anderen und sind immer zugleich als ein denkendes Ich wieder da, das dieses Denken seiner selbst vollzieht, aber doch selbst nicht angemessen als Objekt gedacht werden kann, weil es immer wieder die Voraussetzung jedes Objektgewordenseins ist. Wir nennen diesen Grundbefund unseres denkenden Daseins die Subjekt-Objekt-Spaltung. Ständig sind wir in ihr, wenn wir wachen und bewußt sind.
Mit dem Blick in den Spiegel erkennt sich das Subjekt als Objekt. Eine solche Fähigkeit dient Forschern als Zeichen für ein Ich-Bewusstsein, das den meisten Tieren im Gegensatz zum Menschen fehlt. Verstand und Erfahrung sagen uns zudem, dass es das Spiegelbild nur in Abhängigkeit zu unserem wirklichen Ich gibt, doch können wir das Gegenteil wirklich ausschließen?

Mit der Videoinstallation Isabelle befindet sich der Betrachter in einer ungewöhnlichen Situation: Auf einem Flachbildschirm an der Wand fokussiert ihn der Blick einer Frau. Ihr ausschnitthaftes Gesicht ist in einem Handspiegel zu sehen, den sie, wie in der Videoprojektion zu erkennen ist, selbst hält. Unserer Erfahrung nach müsste der Standpunkt des gespiegelten Subjekts dort sein, wo der Betrachter bzw. die Kamera positioniert ist. Die Quelle des Spiegelbildes scheint so paradoxer Weise zu fehlen, was eben jeglicher Erfahrung widerspricht. Den Gesichtszügen des Spiegelbildes nach zu urteilen, liest und interpretiert das abwesende Subjekt sein Ebenbild, was die Situation in ihrer Absurdität steigert. Wo die Abspaltung des Ich in Form einer Spiegelung normaler Weise als klärender Moment der Selbstvergewisserung und Selbsterkenntnis dient, pervertiert sie hier zum absoluten Irritationsmoment. Empirische und Logische Erklärungsansätze geraten in Widerstreit. Denn wo es kein Subjekt gibt, kann auch die Abwesenheit des Objekts nicht bewiesen werden.

Jari Ortwig